Stein-Meteorite

Die Steinmeteorite stellen die wohl heterogenste Klasse innerhalb der Meteoritenkunde dar. In ihr werden verschiedenste Meteoritentypen und -gruppen zusammengefasst, die lediglich eines gemeinsam haben: dass sie zum grossen Teil aus Stein, das heisst aus verschiedenen Silikaten und anderen gesteinsbildenden Mineralien zusammengesetzt sind. Nichtdestotrotz enthalten Steinmeteorite oft auch viel Nickel und Eisen, manche sogar in solchen Mengen, dass sie getrost als Steineisen- oder als atypische Eisenmeteorite betrachtet werden könnten. Aus Gründen der chemischen Verwandtschaft werden diese "Aussenseiter" aber heute dennoch meist zu den Steinmeteoriten gezählt.

Was die Häufigkeit betrifft, stellen die Steinmeteorite 92,8% aller beobachteten Fälle. Es wurden aber bisher nur ca. 35 Tonnen Steinmeteorite gefunden, was einem Gewichtsanteil von bloss 16% der Gesamtmasse aller bekannten Meteorite entspricht. Dies liegt u.a. daran, dass Steinmeteorite meist kleiner sind als Eisen- oder Steineisenmeteorite. Ein weiterer Grund für diese Diskrepanz liegt darin, dass Steinmeteorite nicht so leicht als solche erkannt werden, da sie irdischen Gesteinen viel ähnlicher sehen und sich im Gewicht nicht so sehr von ihnen unterscheiden. Ausserdem verwittern sie aufgrund ihres Mineralbestandes wesentlich rascher als ihre metallischen Verwandten, was sehr alte Funde viel seltener macht. Ausnahmen wie der "fossile" Meteorit von Osterplana bestätigen auch hier die Regel (siehe Rekorde).

Die Steinmeteorite werden von der Meteoritenkunde in zwei grundlegende Klassen unterteilt, in die Chondrite und Achondrite. Die Chondrite sind die häufigsten Meteorite überhaupt und repräsentieren 85,7% aller beobachteten Fälle. Sie zeichnen sich auf den ersten Blick durch mehr oder weniger häufige, kugelartige Gebilde aus, die als Chondren bezeichnet werden und nur aus Meteoriten bekannt sind. Den Achondriten fehlen - wie der Name schon sagt - diese Chondren, und sie sind mit 7,1% aller beobachteten Fälle auch wesentlich seltener.

Diese Unterscheidung scheint zunächst genauso willkürlich und oberflächlich wie die meisten Kategorien der alten Meteoritenkunde, aber die moderne Forschung hat herausgefunden, dass gerade diese Klassen uns sehr viel über die Entstehung und die Natur unseres Sonnensystems verraten und somit zu Recht unterschieden werden. So weiss man heute z.B., dass Chondrite nahezu unveränderte kosmische Urmaterie sind, Zeugen aus der Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems, während die Achondrite verschiedene Stufen der Differenzierung bzw. der Entwicklung kosmischer Materie darstellen. Die Achondrite legen Zeugnis davon ab, wie aus chondritischer Urmaterie nach und nach durch Impakte, Zusammenballungen und darauf folgende geologische Prozesse komplexe Welten entstanden sind, die unserer Erde oft sehr ähnlich sind und uns ein ganz neues Bild von unserem eigenen Planeten vermitteln.

Im Zusammenhang dieser Erkenntnisse erscheint auch die alte Unterscheidung zwischen Eisen-, Steineisen- und Steinmeteoriten in neuem Licht. Wenn Chondrite mehr oder weniger undifferenzierte Urmaterie sind, repräsentieren alle anderen Meteorite nicht nur verschiedene Stufen der Differenzierung, sondern auch bestimmte Schichten differenzierter Mutterkörper. Eisenmeteorite sind Muster von Kernen, Steineisenmeteorite entsprechen dem Mantel und die Steinmeteorite der Klasse der Achondrite repräsentieren last but not least die äussere Kruste anderer, geologisch entwickelter Himmelskörper.




 

 

 

 

 

Stein-Meteorite

 

 

 

Gewöhnlicher Chondrit

Chondrite sind die wohl ursprünglichste Materie, die bekannt ist. Diese Meteorite entstanden gleichzeitig mit unserem Zentralstern, der Sonne, indem sie aus dem präsolaren Urnebel in Form kugelartiger Gebilde, den sogenannten Chondren, auskristallisierten. Diese Chondren verdichteten sich zusammen mit anderem präsolaren Material zu kleinen und grösseren Brocken und blieben die folgenden 4,5 Milliarden Jahre mehr oder weniger unverändert.

Chemisch ähneln die Chondrite allgemein der Sonne, wenn man einmal vom Verlust aller flüchtigen Elemente wie Helium und Wasserstoff absieht. Aber je nach dem Ort, in dem die jeweiligen Chondrite im präsolaren Urnebel auskristallisierten sind sie doch signifikant verschieden, so dass zahlreiche Gruppen und Clans unterschieden werden, die weiter unten im einzelnen beschrieben werden.

Neben der Trennung in Clans und Gruppen werden Chondrite allgemein nach sogenannten petrologischen Klassen unterschieden, einer Skala von 1 bis 7, die Aufschluss über den Differenzierungsgrad des einzelnen Chondriten gibt. Die Klassen 1 und 2 kommen nur bei kohligen Chondriten vor und bezeichnen Meteorite mit spärlichen, kleinen Chondren, in denen eine Veränderung durch Oxidation und Wasser stattgefunden hat. Die Klasse 3 bezeichnet Meteorite mit grossen, klaren Chondren, die nahezu unverändert geblieben sind, während die Klassen 4 bis 6 Chondrite bezeichnen, die in ihrer Geschichte zunehmend erhitzt und hierdurch verändert wurden. Die Chondren werden mit höherem petrologischen Grad immer undifferenzierter und verschmelzen mit der Matrix. Die Klasse 7 umfasst schliesslich Meteorite, deren chondritische Natur nur noch durch die chemische Zusammensetzung klar wird. Sie enthalten keine Chondren mehr und bilden eine Art Übergang zu den Achondriten.

 

 

 

 

 

 

 

Kohliger Chondrit Kohlige Chondrite

Die kohligen Chondrite, auch C-Chondrite genannt, repräsentieren wohl die ursprünglichste und älteste bekannte Materie und ähneln in ihrem Chemismus der Sonne mehr als alle anderen Chondrite. Typisch ist ihr Gehalt von Wasser und durch Wasser veränderter Mineralien, ihr Gehalt von Kohlenstoff und organischen Verbindungen sowie die Tatsache, dass die meisten von ihnen im Laufe ihres Daseins kaum durch thermische Prozesse verändert wurden. Die primitivsten kohligen Chondrite wurden im Laufe der Geschichte nie über eine Temperatur von 50 Grad Celsius erhitzt! Trotz all dieser Gemeinsamkeiten sind die kohligen Chondrite doch je nach Entstehungsort im präsolaren Urnebel recht verschieden und werden in mehrere Gruppen unterteilt. Die wichtigsten sollen im folgenden erwähnt werden:


CI-Chondrite

Die CI-Chondrite werden nach dem Fall von Ivuna, Tansania, benannt, und es ist nur eine Handvoll dieser seltenen Meteorite bekannt. Es sind die primitivsten und unansehnlichsten Meteorite überhaupt - und doch auch die interessantesten. Petrologisch gehören sie fast alle zur Klasse 1; nur ein CI2-Chondrit ist bekannt. Sie enthalten so gut wie keine sichtbaren Chondren, dafür aber einen Wassergehalt von bis zu 20% und zahlreiche organische Verbindungen wie Aminosäuren und andere Bausteine des Lebens. Möglicherweise haben sie ihren Ursprung in Kometen, aber gewiss stammen sie aus den äusseren Bereichen unseres Sonnensystems, was allein schon aus der Tatsache deutlich wird, dass sie im Laufe ihrer Entwicklung nie über 50 Grad Celsius erhitzt wurden.


CM-Chondrite

Die zahlenmässig besser vertretene Gruppe der CM-Chondrite wird nach dem Fall von Mighei, Ukraine, benannt. Die CM-Chondrite gehören fast alle zur petrologischen Klasse 2. Sie enthalten weniger Wasser als die CI-Chondrite, sind ihnen aber ansonsten von der mineralogischen Zusammensetzung her recht ähnlich. Auch sie enthalten organische Substanzen wie Aminosäuren, aber darüber hinaus besitzen sie deutlich sichtbare Chondren und häufig Einschlüsse von sogenannten CAIs (Calcium-Aluminium-Inklusionen). Diese CAIs enthalten mikroskopisch kleine Diamanten mit isotopischen Signaturen, die nicht nur auf ein wesentlich höheres Alter als das unseres Sonnensystems hinweisen, sondern sie bestehen offenbar aus interstellarem Material - Material aus anderen Sternensystemen, das bei der Entstehung unseres Sonnensystems in den CAIs eingeschlossen und konserviert wurde. Was die Herkunft angeht, könnten die Meteorite der CM-Gruppe ebenfalls von Kometen stammen; möglicherweise sind sie aber auch Abkömmlinge des grössten Asteroiden in unserem Sonnensystems, 1 Ceres, der ein sehr ähnliches Reflexionsspektrum aufweist.


CV-Chondrite

Die CV-Chondrite werden nach dem Fall von Vigarano, Italien, benannt und umspannen die petrologischen Klassen 3 und 4. In ihrer Struktur und chemischen Zusammensetzung ähneln sie eher den gewöhnlichen Chondriten, enthalten aber im Gegensatz zu diesen auch Spuren von Wasser, organische Substanzen und besonders viele und grosse Chondren und CAIs - ein typisches Merkmal der CV-Gruppe. Ein besonders bekannter CV-Meteorit ist der Fall von Allende, Mexiko, der sich 1969 kurz vor der ersten bemannten Mondlandung ereignete. Damals fielen nahezu zwei Tonnen der seltenen und wissenschaftlich so wertvollen Materie auf die Erde - genug Material, um nicht nur sämtliche Forschungslaboratorien, sondern auch alle privaten Sammler damit auszustatten!


CO-Chondrite

Die CO-Chondrite werden nach dem Fall von Ornans, Frankreich, benannt und gehören petrologisch stets zur Klasse 3. Chemisch ähneln sie den CV-Chondriten, mit denen sie einen Clan bilden, aber sie unterscheiden sich bereits auf den ersten Blick durch ihr schwarzes Erscheinungsbild, ihre sehr kleinen Chondren und durch wesentlich spärlichere Einschlüsse von CAIs. Ausserdem enthalten sie deutlich sichtbare Einschlüsse von Nickeleisen, die in polierten Scheiben wie winzige schillernde Flocken wirken.


CR-Chondrite

Die CR-Chondrite werden nach dem Fall von Renazzo, Italien, benannt und fallen in die petrologischen Klassen 2 und 3. Ursprünglich wurden sie in die CM-Gruppe eingeordnet, aber inzwischen ist klar, dass sie eine eigene Gruppe repräsentieren. Sie besitzen meist grosse, klar abgegrenzte Chondren und enthalten im Gegensatz zu den CM-Chondriten relativ viel Nickeleisen sowie Eisensulfid. Was die Herkunft angeht, gibt es eine Übereinstimmung der Reflexionsspektren der CR-Chondrite mit dem zweitgrössten Asteroiden in unserem Sonnensystems, 2 Pallas, der möglicherweise der Mutterkörper dieser sehr seltenen kohligen Chondrite ist.


CK-Chondrite

Die CK-Chondrite werden nach dem Fall von Karoonda, Australien benannt, umspannen die petrologischen Klassen 3 bis 6 und wurden ursprünglich für Vertreter der CV-Gruppe gehalten. Geschnittene Scheiben dieser Meteorite erscheinen aufgrund eines hohen Anteils von Magnetit meist matt und schwarz, durchsetzt von verschieden grossen Chondren und gelegentlichen Einschlüssen von CAIs. Viele CK-Chondrite weisen ausserdem Schockvenen auf, Adern aus durch Druck geschmolzenem Gestein, was auf eine bewegte Vergangenheit des CK-Mutterkörpers bzw. auf ein Impaktereignis hinweist. Der genaue Herkunftsort dieser sehr seltenen Meteoritengruppe ist aber bislang nicht ausreichend geklärt.


CH-Chondrite

Diese sehr kleine Gruppe von kohligen Chondriten wird ausnahmsweise nicht nach einem Fall benannt, sondern nach einer besonderen Eigenschaft: das "H" steht für "High Iron" und bezeichnet den für diese Gruppe charakteristisch hohen Anteil an Nickeleisen, der oft über 50% der Gesamtmasse betragen kann! Allein diese Tatsache könnte genügen, die CH-Gruppe als eine Form von Steineisenmeteoriten zu bezeichnen, aber die Verwandtschaft des kohligen Gesteinsanteil mit den Meteoriten der CR-Gruppe hat dazu geführt, dass man sie in die Klasse der kohligen Chondrite einordnete. Petrologisch gehören die bekannten CH-Chondrite alle zur Gruppe 3, und es besteht eine noch ungeklärte, enge Verbindung zu einer anderen Gruppe von Chondriten, den Bencubbiniten, die weiter unten beschrieben werden.

 

 

 

 

 

 

Gewöhnlicher Chondrit am Fundort

Die Chondrite dieser Klasse werden nur deshalb als "gewöhnlich" bezeichnet, weil sie mit über 85% aller Chondritenfälle den Grossteil dieser Meteorite repräsentieren. Als kosmische Urmaterie sind sie allerdings alles andere als gewöhnlich. Mineralogisch betrachtet bestehen sie zum Grossteil aus Olivin und Orthopyroxenen sowie einem charakteristisch hohen Anteil an mehr oder weniger oxidiertem Nickeleisen. Aufgrund dieses Anteils an Eisen und anderer mineralogischer Charakteristika werden sie in drei Gruppen unterteilt:


H-Chondrite

Die H-Chondrite werden aufgrund ihres hohen Anteils an Nickeleisen mit dem "H" versehen, das für "High Iron" steht. Die Meteorite dieser Gruppe enthalten einen Gewichtsanteil von 25 bis 31% Gesamteisen, wobei 15 bis 19% des Eisens im ungebundenen, metallischem Zustand vorliegt. Demzufolge werden H-Chondrite auch recht stark von einem Magneten angezogen. Petrologisch umspannen die H-Chondrite die Klassen 3 bis 7, und sie bestehen mineralogisch vor allem aus Olivin und dem Orthopyroxen Bronzit. Aufgrund dieser Tatsache werden sie manchmal auch als Olivin-Bronzit-Chondrite bezeichnet, obschon dieser Name veraltet und wenig gebräuchlich ist. Vergleiche der Reflexionsspektren der H-Chondrite mit den Spektren bekannter Asteroiden haben ergeben, dass die H-Chondrite möglicherweise vom Asteroiden Hebe oder einem Abkömmling desselben stammen.


L-Chondrite

Das "L" steht bei den L-Chondriten für "Low Iron", also für einen typischen Eisengehalt von 20 bis 25%, wobei jedoch nur etwa 4 bis 10% dieses Eisens im ungebundenen, metallischen Zustand vorkommt. Diese Tatsache bewirkt, dass L-Chondrite zwar von einem Magneten angezogen werden, aber lange nicht so stark wie die H-Chondrite. Petrologisch umspannen die L-Chondrite die Klassen 3 bis 7, wobei die Klasse 6 besonders häufig vertreten ist. Mineralogisch bestehen L-Chondrite aus Olivin und dem Orthopyroxen Hypersthen, was ihnen auch den Namen Olivin-Hypersthen-Chondrite eingebracht hat. Auch dieser Name ist heute nicht mehr gebräuchlich, obschon man ihn oft in der Literatur finden wird. Was die Herkunft angeht, könnten die L-Chondrite durchaus von dem erdnahen Asteroiden Eros stammen, einem Himmelskörper, der derzeit intensiv von der Raumsonde NEAR-Shoemaker untersucht wird. Die Reflexionsspektren stimmen ziemlich genau überein, und vielleicht wird man bald mit Sicherheit sagen können, dass die L-Chondrite Abkömmlinge dieses Asteroiden sind.


LL-Chondrite

Die LL-Chondrite sind die seltensten unter den gewöhnlichen Chondriten. Das "LL" steht für "Low Iron" und "Low Metal" und trägt der Tatsache Rechnung, dass die LL-Chondrite einen typischen Eisengehalt von 19 bis 22% besitzen, wobei lediglich 1 bis 3% in metallischer, ungebundener Form vorkommen. Dementsprechend sind die LL-Chondrite nur schwach magnetisch. Wie die H- und L-Chondrite umspannen auch die LL-Chondrite alle petrologischen Klassen von 3 bis 7, wobei jedoch auffällig viele, ursprüngliche LL3-Meteorite gefunden werden. In älteren Quellen werden die LL-Chondrite manchmal als Amphoterite bezeichnet, doch auch dieser Name ist nicht länger gebräuchlich und sollte daher vermieden werden. Was die Herkunft betrifft stammen die LL-Chondrite möglicherweise ebenfalls von dem erdnahen Asteroiden Eros und repräsentieren einen anderen Ursprungsort auf dem etwa 20 km grossen Mutterkörper.

 

 

 

 

 

 

Enstatit Chondrite

Die Enstatit Chondrite, oft auch kurz E-Chondrite genannt, sind eine seltene Gruppe von Chondriten, die sich in mancher Hinsicht von den gewöhnlichen und kohligen Chondriten unterscheiden. So müssen sie z.B. in einer sehr sauerstoffarmen Umgebung entstanden sein, weil nahezu alles Eisen in diesen Meteoriten in reduzierter, metallischer Form auftritt. Auch ihr Pyroxenanteil enthält kein Eisen und tritt nur in der magnesiumreichen Form Enstatit auf, eine Tatsache, die ihnen ihren Namen gab. Petrologisch umspannen die E-Chondrite alle Klassen von 3 bis 7, wobei die Klassen 3 und 6 besonders häufig vertreten sind. Wie die gewöhnlichen Chondrite werden die E-Chondrite oft auch nach ihrem Eisengehalt in Untergruppen unterteilt, so dass manche von ihnen als EH- oder EL-Chondrite klassifiziert wurden. Dennoch dürften alle Enstatit Chondrite von ein und demselben Mutterkörper stammen. Manche Forscher nehmen an, dass dieser in grosser Nähe zur Sonne zu suchen ist, vielleicht im Bereich der Umlaufbahn des Merkurs, weil die Entstehung der E-Chondrite eine besonders sauerstoffarme, reduzierende Umgebung voraussetzt. Andere Forscher vermuten eine Entstehung im inneren Bereich des Asteroidengürtels, und erst zukünftige Forschungen werden uns Aufschluss über die tatsächliche Herkunft der E-Chondrite geben.


Rumuruti Chondrite

Die Rumuruti oder R-Chondrite werden nach dem Fall von Rumuruti, Kenia, benannt und sind in mancher Hinsicht das Gegenteil der E-Chondrite. Sie sind zwar ähnlich selten, aber das in ihnen enthaltene Eisen ist nahezu gänzlich oxidiert oder liegt in Form verschiedener Eisensulfide vor. Auch der in den R-Chondriten enthaltene Olivinanteil ist erstaunlich eisenreich und verleiht ihnen ihre dunkle, oft rötliche Erscheinung. Im Vergleich zu den gewöhnlichen Chondriten finden sich in den R-Chondriten relativ wenige Chondren. Petrologische Grade von 3 bis 6 wurden gefunden, wobei verhältnismässig viele R-Chondrite sogenannte Brekkzien verschiedener Grade sind, was auf eine bewegte Vergangenheit des Mutterkörpers mit zahlreichen Einschlägen schliessen lässt. In manchen Rumuruti Chondriten werden auch Einschlüsse von kohligem Material gefunden, was ein weiterer Hinweis auf die impaktreiche Geschichte des Rumuruti-Mutterkörpers ist.


Andere Chondrite

Neben den bekannteren Gruppen gibt es noch einige andere Chondrit-Klassen, von denen jeweils nur ein paar Vertreter beschrieben wurden. Diese Gruppen sind eher "hypothetisch", das heisst nicht vollständig von der modernen Meteoritenkunde als eigenständige Klassen anerkannt. Dennoch sollen sie hier Erwähnung finden:


Kakangari Chondrite

Die Kakangari Chondrite, auch kurz K-Chondrite genannt, tragen ihren Namen nach dem Fall von Kakangari. Petrologisch entsprechen die bisher gefundenen Meteorite dieser Gruppe der Klasse 3. Ihr Oxidationsgrad liegt zwischen dem von gewöhnlichen und Enstatit Chondriten, und sie besitzen eine einzigartige isotopische Signatur, die darauf schliessen lässt, dass sie von einem eigenen Mutterkörper stammen.


Forsterit Chondrite

Die Forsterit oder F-Chondrite sind nur als Einschlüsse in anderen Meteoriten bekannt und wurden von bestimmten Lithologien des Aubriten von Cumberland Falls, USA, beschrieben. Mineralogisch bestehen sie offenbar primär aus dem Olivinendglied Forsterit, was sie zu einer einzigartigen Gruppe macht. Allerdings wurden bislang keine vollständigen Meteorite dieser Gruppe auf der Erde gefunden, und daher ist diese Klasse als hypothetisch anzusehen.


Bencubbinite

Die Bencubbinite, manchmal auch B-Chondrite genannt, bestehen gerade mal aus einer Handvoll von Mitgliedern und wurden nach dem Fall von Bencubbin benannt. Sie enthalten neben kohligem Material sehr viel Eisen, was manche Forscher bewogen hat, sie in die Kategorie der Steineisenmeteorite einzuordnen. Chemisch stehen sie allerdings den kohligen Chondriten des CR-Clans und den CH-Chondriten recht nahe, so dass anzunehmen ist, dass sie zumindest in einem ähnlichen Bereich des präsolaren Urnebels auskristallisierten. Es ist aber auch möglich, dass sie Muster verschiedener Regionen ein und desselben Mutterkörpers repräsentieren - möglicherweise ist dies 2 Pallas, der zweitgrösste Asteroid in unserem Sonnensystem!

 

 

 

 

 

 

Die Achondrite stellen eine sehr heterogene Klasse von Meteoriten dar. Von den wesentlich häufigeren Chondriten unterscheiden sie sich zunächst durch das Fehlen von Chondren, aber wir haben bereits gesehen, dass es auch Chondrite gibt, die keinerlei Chondren besitzen, und genauso gibt es mindestens einen Typ Achondrit, der Chondren aufweist. Diese Ausnahmen markieren Übergänge zwischen den beiden Klassen, die verständlich werden, wenn wir uns vor Augen halten, dass die Chondrite nahezu unveränderte Urmaterie aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystems darstellen. Durch Schmelz- und Rekristallisationsvorgänge entstanden aber auf manchen Asteroiden und Planeten aus der chondritischen Urmaterie differenzierte Gesteine, die wiederum die Grundsubstanz der Achondrite liefern. Achondrite sind also Muster anderer differenzierter Welten und ähneln insofern irdischen Gesteinen. Dennoch sind die meisten Achondrite recht primitiv - d.h. wenig differenziert - und mithin sehr alt. Auch sie stammen zumeist aus der Frühzeit der Entstehung unseres Sonnensystems, einer Zeit die zwischen 4,6 und 4,2 Milliarden Jahre zurückreicht. Dies liegt vor allem daran, dass sie von kleineren Mutterkörpern, sprich Asteroiden, stammen, die bereits schnell nach ihrer Entstehung abkühlten und somit geologisch inaktiv wurden. Nur wenige Achondrite stammen nachweislich von grösseren Mutterkörpern, was sich auch in einem wesentlich jüngeren Entstehungsalter ausdrückt. Planeten wie unser Nachbar Mars waren (oder sind) bis in die jüngste Zeit geologisch aktiv, und so verwundert es nicht, dass Marsmeteorite gefunden wurden, die - verglichen mit anderen Meteoriten - mit einem geschätzten Entstehungsalter von nur wenigen Hundert Millionen Jahren erstaunlich jung sind. Diese Meteorite sind entsprechend hochentwickelt, d.h. stark differenziert und ähneln den irdischen Gesteinen am meisten.


PAC-Gruppe (Primitive Achondrite)

Das Kürzel "PAC" steht für "primitive Achondrite" und umfasst verschiedene Gruppen von Meteoriten, die ihren chondritischen Vorläufern in Chemismus und Struktur recht ähnlich sind. Sie sind wenig differenziert und entstanden wahrscheinlich auf sehr kleinen Asteroiden, die durch Impaktereignisse aufgescholzen wurden und dann sehr schnell rekristallisierten.


Acapulcoite

Diese kleine Klasse wurde nach einem Fall benannt, der sich 1976 in der Umgebung von Acapulco, Mexiko, ereignete. Ursprünglich wurde dieser Meteorit als anomaler Chondrit klassifiziert, aber nachdem in den folgenden Jahrzehnten einige ähnliche Meteorite gefunden wurden, erkannte man, dass es sich um eine Klasse von primitiven Achondriten handelt, die den Übergang zwischen chondritischer Grundsubstanz und differenziertem Gestein markiert. Die vierzehn bislang bekannten Acapulcoite bestehen hauptsächlich aus Olivin und Pyroxen und geringeren Anteilen von Plagioklas, metallischem Nickeleisen und Troilit. In manchen Acapulcoiten hat man auch intakte Chondren gefunden, was noch einmal unterstreicht, dass diese Gruppe einen wenig differenzierten Mutterkörper repräsentiert und als die wohl primitivste Klasse von Achondriten zu betrachten ist.


Lodranite

Die Lodranite, benannt nach dem Fall von Lodran, Pakistan, 1868, wurden ursprünglich als eine kleine Gruppe von Steineisenmeteoriten betrachtet, da sie zu ungefähr gleichen Teilen aus Olivin und Pyroxen sowie feinkörnigem Nickeleisen bestehen. Erst die Entdeckung der Acapulcoite hat aufgrund grosser chemischer und isotopischer Ähnlichkeit dazu geführt, sie in die Gruppe der primitiven Achondrite einzuordnen. Wahrscheinlich stammen Acapulcoite und Lodranite sogar von ein und demselben, wenig differenzierten Mutterkörper, einem kleinen Asteroiden, der von seinem Chemismus eine Verwandtschaft mit den Mutterkörpern der E- und H-Chondrite aufweist.


Brachinite

Die Brachinite sind eine sehr kleine Gruppe von olivinreichen, primitiven Achondriten und wurden nach dem Fund von Brachina, Australien benannt. Dieser Meteorit wurde zunächst als Chassignit, eine seltene Art von Marsmeteorit, klassifiziert, aber als man ihn und sechs weitere, ähnliche Funde genauer untersuchte, stellte man fest, dass es sich um eine eigene Klasse primitiver Achondrite handelt, die den Chassigniten nur von ihrer mineralogischen Komposition ähneln. Im Unterschied zu den relativ jungen Marsgesteinen sind die Brachinite mit einem Entstehungsalter von 4,5 Milliarden Jahren sehr alt und weisen ein ganz anderes Muster in ihren Spurenelementen auf, die eine typisch chondritische Verteilung zeigen.


Winonaite

Die Winonaite stellen eine weitere seltene Klasse primitiver Achondrite dar und wurden nach einem ungewöhnlichen Fund benannt. Der Meteorit Winona wurde 1928 bei archäologischen Grabungen in dem prähistorischen Elden-Pueblo, Arizona, in einer in den Stein gemeisselten Wandnische entdeckt. Offenbar hatte er den hier lebenden Indianern als Heiligtum gedient, nachdem sie seinen Fall vielleicht sogar beobachtet hatten. Und auch für die Wissenschaft wurde Winona zu etwas ganz besonderem, zum Prototyp einer neuen Meteoritenklasse, die sich in ihrer isotopischen Signatur ganz deutlich von allen anderen Achondriten unterscheidet. Ein enge Verwandtschaft besteht allerdings zu den Eisenmeteoriten der chemischen Klasse IAB. Viele IAB-Eisen enthalten Silikateinschlüsse, die den Winonaiten sehr ähnlich sind, und wahrscheinlich stammen beide von ein und demselben Mutterkörper.


Primitive Enstatit Achondrite (Zaklodzie, ITQIY)

Neben den Acapulcoiten/Lodraniten, den Brachiniten und Winonaiten gibt es noch eine Reihe weiterer primitiver Achondrite, die jedoch alle mehr oder weniger Einzelfunde sind und daher nicht die Etablierung einer neuen Klasse rechtfertigen. Beispiele hierfür sind zwei unlängst gefundene, enstatitreiche Achondrite: Zaklodzie aus Polen und ITQIY aus Nordafrika. Beide sind in Chemismus und Mineralbestand einmalig und bestehen hauptsächlich aus Enstatit und metallischem Nickeleisen. Auf gewisse Weise erinnert Zaklodzie von seiner Struktur her an die Acapulcoite während ITQIY strukturell den Lodraniten gleicht. Möglicherweise sind Zaklodzie und ITQIY Abkömmlinge ein und desselben, wenig differenzierten Mutterkörpers, der eine vergleichbare Entwicklung durchgemacht hat wie der Mutterkörper der Acapulcoite und Lodranite. Weitere Untersuchungen und neue Funde werden in Zukunft wohl mehr Aufschluss über diese Frage geben.


Angrite

Die Angrite, benannt nach dem Fall von Angra dos Reis, Brasilien, stellen mit nur sechs Mitgliedern eine sehr kleine Klasse von differenzierten Achondriten dar, die aus Pyroxen, Olivin und Plagioklas bestehen. Im Gegensatz zu den Chondriten und primitiven Achondriten liegen diese Minerale jedoch in Formen vor, die typisch für eine magmatische Entstehung sind: Das Pyroxen liegt vor allem in Form des Minerals Fassait vor, das Olivin enthält neben Eisen und Magnesium auch Kalzium, und der Plagioklas liegt nahezu ausschliesslich als kalziumreicher Anorthit vor. Auch die allgemeine Struktur sowie häufig auftretende rundliche Vesikel, die als erstarrte Gasblasen gedeutet werden, lassen die Angrite als typische Ergussgesteine, d.h. als Basalte magmatischen Ursprungs erscheinen, die irdischen Basalten recht ähnlich sind. Mit dem Unterschied, dass die Angrite mit einem Entstehungsalter von etwa 4,56 Milliarden Jahren sehr alt sind! Die Herkunft dieser urtümlichen Basalte ist jedoch nach wie vor ein Rätsel. Aufgrund gewisser isotopischer Ähnlichkeiten hat man zeitweise vermutet, die Angrite stammten wie die Meteorite der HED-Gruppe vom Asteroid 4 Vesta. Aber aufgrund ihres hohen Alters und gewissen Unterschieden im Chemismus geht man heute davon aus, dass die Angrite von einem gesonderten Mutterkörper stammen müssen, der bislang noch nicht identifiziert werden konnte.


Aubrite

Die Aubrite wurden nach dem Fall von Aubres, Frankreich, benannt, wo 1836 ein etwa 800 g schwerer Meteorit niederging. Aufgrund ihrer eigenartigen mineralogischen Beschaffenheit sind die Aubrite auch als Enstatit Achondrite bekannt, da sie zum Grossteil aus diesem fast eisenfreien, magnesiumreichen Pyroxen bestehen. Neben Enstatit enthalten die meist stark brekzziierten Aubrite aber auch unterschiedliche Anteile reduziertes Nickeleisen, Olivin, Troilit und einige seltene Minerale, die auf eine magmatische Entstehung unter ausgesprochen reduzierenden Bedingungen schliessen lassen. Trotz einer gewissen chemischen Ähnlichkeit zu den Enstatit Chondriten und Primitiven Enstatit Achondriten stammen die Aubrite sicher von einem anderen Mutterkörper, der eine wesentlich stärkere Differenzierung durchgemacht hat. Spektrologische Untersuchungen haben den Asteroid 44 Nysa und einige seiner Begleiter als mögliche Mutterkörper identifizieren können, wobei vor allem ein Ausreisser aus dieser Asteroidenfamilie, der erdnahe Asteroid 3103, in den Blickpunkt gerückt ist. Möglicherweise ist dieser namenlose Asteroid mit etwa 1,5 km Durchmesser der Ursprung aller auf der Erde eintreffenden Aubrite. Sechsundvierzig dieser seltenen Meteorite wurden bislang beschrieben.


Ureilite

Die Ureilite, benannt nach dem Fall von Novo Urei, Russland, im Jahr 1886, sind die wohl rätselhaftesten Achondrite überhaupt. Sie bestehen hauptsächlich aus Olivin und Pyroxen in einer kohlenstoffreichen Matrix aus Graphit, Diamant, reduziertem Nickeleisen und Troilit. Sowohl die chemischen als auch die isotopischen Untersuchungen der Ureilite führen zu widersprüchlichen Ergebnissen: einige Fakten lassen die Ureilite als hochdifferenzierte Gesteine erscheinen, während andere Ergebnisse diese Meteorite eher in das Umfeld der primitiven Achondrite rücken. Aufgrund dieser Widersprüche gibt es bislang keine allgemein anerkannte Theorie über die Entstehung und den Ursprung der Ureilite. Dennoch sind sich die meisten Forscher einig, dass der hohe Kohlenstoffgehalt eine Verwandtschaft zu den kohligen Chondriten suggeriert, und wahrscheinlich stammen die Ureilite von einem differenzierten Asteroiden der C-Klasse. Bislang wurden fünfundneunzig dieser rätselhaften Meteorite gefunden, was die Ureilite zu einer der "häufigeren" Achondritenklassen macht.


HED-Gruppe ("Vestameteorite")

Die HED-Gruppe setzt sich aus drei verschiedenen Klassen von eng verwandten Achondriten zusammen, den Howarditen, Eukriten und Diogeniten, deren Anfangsbuchstaben das Kürzel "HED" formen. Von ihrer mineralogischen Zusammensetzung und Entstehung her sind diese Meteorite recht verschieden, aber ihre nahezu identischen chemischen und isotopischen Muster zeigen ganz klar, dass alle drei von ein und demselben Mutterkörper stammen müssen. Vergleiche der Reflexionsspektren dieser Meteorite mit den Spektren diverser Asteroiden haben ergeben, dass es sich bei diesem Mutterkörper wahrscheinlich um den Hauptgürtel-Asteroid 4 Vesta handelt, einem der grössten Asteroiden in unserem Sonnensystem (siehe Herkunft). Aus diesem Grund werden die Meteorite der HED-Gruppe manchmal auch "Vestameteorite" genannt.


Diogenite

Die Diogenite wurden nach dem griechischen Philosoph Diogenes benannt, der bereits im fünften Jahrhundert v. Chr. vermutete, dass Meteorite nicht von der Erde, sondern aus dem Weltall stammen. Mineralogisch betrachtet handelt es sich bei den Diogeniten, von denen sechsundneunzig Fälle und Funde bekannt sind, um differenzierte Tiefengesteine, die vor allem aus magnesiumreichem, kalziumarmen Orthopyroxen bestehen. Sie enthalten daneben auch noch kleinere Mengen von Olivin und Plagioklas, aber den Grossteil der Masse bilden die oft recht grossen Pyroxenkristalle, die wiederum typisch für plutonische Gesteine sind, die sich in Magmakammern im Mantel eines Planeten oder Asteroiden gebildet haben und durch langsame Abkühlung zu einer solchen Grösse heranwachsen konnten. Die Diogenite sind somit Beispiele von magmatischen Prozessen, die sich vor etwa 4,4 Milliarden Jahren innerhalb ihres Mutterkörpers Vesta abgespielt haben!


Eukrite

Der Begriff Eukrit stammt vom griechischen Wort eukritos, das soviel bedeutet wie "leicht zu unterscheiden". Die alte Meteoritenkunde verlieh den Eukriten, die mit über zweihundert Fällen und Funden die zahlenmässig grösste Achondritenklasse bilden, diesen Namen aus zwei Gründen: erstens, weil sie sich durch ihr Erscheinungsbild leicht von den Chondriten unterscheiden lassen, und zweitens, weil sie bestimmten irdischen Gesteinen vulkanischer Herkunft ähneln, die damals ebenfalls Eukrite genannt wurden. Heute ist dieser Name nur noch für die gleichnamigen Meteorite gebräuchlich, obschon die Eukrite tatsächlich in mancherlei Hinsicht an terrestrische Basalte erinnern. Sie bestehen aus kalziumreichem Plagioklas (Anorthit), kalziumarmen Pyroxenen und enthalten oft Anteile von reduziertem Nickeleisen, was manche Eukrite schwach magnetisch macht. Oft enthalten sie auch kleine Vesikel, die als erstarrte Gasblasen gedeutet werden und den magmatischen Ursprung der Eukrite als echte Ergussgesteine noch einmal unterstreichen. Eukrite sind die Basalte einer anderen Welt, vergleichbar mit den Basalten, die sich auf der Erde durch vulkanische Aktivität bildeten und immer noch bilden.


Howardite

Die Howardite wurden nach dem britischen Chemiker Edward Howard, einem Pionier der Meteoritenkunde benannt (siehe Geschichte), und es sind heute fünfundneunzig Fälle und Funde dieser seltenen Klasse bekannt. In gewisser Hinsicht bilden die Howardite eine Art Bindeglied zwischen Diogeniten und Eukriten, das aber nicht - wie man vermuten könnte - im Mantel der Vesta entstanden ist, sondern an deren Oberfläche. Die Howardite sind, mineralogisch betrachtet, ein Regolithgestein: zusammengebackene "Staubschichten" der Oberfläche ihres Mutterkörpers, in denen sich in etwa gleiche Teile von diogenitischem und eukritischen Gestein mit chondritischem Impaktmaterial aus dem Weltraum mischen. Und so findet man in den stark brekkziierten Howarditen auch verschiedenste Einschlüsse von kleineren und grösseren Meteoriten, die im Laufe der Jahrmilliarden auf Vesta stürzten und sich mit den von ihnen freigelegten und vom Sonnenwind pulverisierten Eukriten und Diogeniten zu einem neuen Gestein verbanden. Diese natürliche Vielfalt macht die Howardite nicht nur zu welchen der interessantesten, sondern auch zu einigen der schönsten Achondrite überhaupt.


LUN-Gruppe ("Mondmeteorite")

Das Kürzel "LUN" steht für "Lunaite" und bezeichnet eine Gruppe von Achondriten, die von unserem Erdtrabanten, dem Mond stammen (siehe auch Herkunft). Wenn man sich den Mond in einer sternenklaren Nacht einmal genau ansieht, kann man sich gut vorstellen, wie diese Meteorite von der Mondoberfläche weg und auf die Erde gelangt sind: der Erdtrabant ist übersäht mit grossen Kratern, die von Einschlägen herrühren, die genug Kraft hatten, Gesteine aus dessen Kruste herauszureissen und so zu beschleunigen, dass sie das Schwerefeld des Mondes überwanden und im Weltall landeten. Einige dieser Bruchstücke gerieten in eine instabile Umlaufbahn um unseren Planeten und stürzten nach einiger Zeit als Mondmeteorite auf die Erde. Und natürlich sind diese Meteorite so verschieden wie die Gesteine des Mondes selbst. Bislang wurden weltweit vierundzwanzig Mondmeteorite gefunden, die sich in fünf verschiedene Klassen einordnen lassen:


Anorthositische Regolith Hochlandbrekkzien

Die Regolith Hochlandbrekkzien stellen mit über zehn Funden die Mehrzahl der bekannten Mondmeteorite. Sie stammen aus den Hochländern des Mondes, die den Grossteil seiner Oberfläche bilden und vor allem die von der Erde aus unsichtbare Seite dominieren. In ihrem Mineralbestand bestehen sie vor allem aus einem durch Meteoritenbombardement und Sonnenwind entstandenen Regolith, einem zusammengebackenen Staub, der zahlreiche Klasten von ursprünglichem Plagioklas enthält, der in den Hochländern des Mondes als kalziumreicher Anorthit das primäre, gesteinsbildende Mineral ist. Diese Zusammensetzung verleiht den Anorthositischen Regolith Hochlandbrekkzien ihr typisches Aussehen mit eckigen, weissen Klasten (Anorthit) in einer kohlig-schwarzen Matrix (Regolith).


Fragmentale Hochlandbrekkzien

Die Fragmentalen Hochlandbrekkzien, von denen bislang nur zwei bekannt sind, stammen ebenfalls aus den Hochländern des Mondes. Sie bestehen jedoch nicht aus Regolith, sondern aus brekkzierten Gesteinsfragmenten der unter dem Regolith gelegenen lunaren Oberfläche. Dem entsprechend bestehen sie mineralogisch vor allem aus Anorthit, dem kalziumreichen Plagioklas der lunaren Hochländer, sowie einigen anderen begleitenden Mineralen wie z.B. Pyroxen und Olivin.


Impakt Schmelzbrekkzien

Die Impakt Schmelzbrekkzien, von denen ebenfalls nur zwei Funde bekannt sind, ähneln von ihrer mineralogischen Zusammensetzung den anderen Lunaiten der Hochländer, mit dem Unterschied, dass manche darin enthaltene Minerale in stark geschockter Form vorliegen, d.h. durch ein früheres Impaktereignis in ihrer Struktur verändert wurden. Dem entsprechend finden sich in diesen Schmelzbrekkzien auch häufig Adern von zu Glas geschocktem Gestein sowie Hochdruckmineralien.


Marebasalte

Diese Meteorite, von denen nur fünf bekannt sind, sind Muster der lunaren Mare, der grossen, dunklen Becken, die die Tiefländer des Mondes bilden. Drei dieser fünf Mondmeteorite sind Regolith Brekkzien, die vergleichbar mit den Regolith Hochlandbrekkzien nur Fragmente des ursprünglichen Basalts in einer Regolith-Matrix aufweisen, während es sich bei zwei dieser Meteorite um echte Muster des lunaren Marebasalts handelt. Dieser besteht vornehmlich aus den Pyroxenen Pigeonit und Augit sowie einem geringeren Anteil von Plagioklas und Olivin. Im Unterschied zu den Hochlandsgesteinen handelt es sich bei den Marebasalten um weitaus jüngere Gesteine, die der Tatsache Rechnung tragen, dass die lunaren Maria erst etwa eine Milliarde Jahre nach den etwa 4,5 Milliarden Jahren alten Hochländern entstanden.


Maregabbros

Diese Klasse wird nur durch einen Meteoritenfund aus der Antarktis repräsentiert, dem Meteorit Asuka-881757, der in seiner grobkörnigen Struktur den einzigen bislang bekannten unbrekkziierten Mondmeteorit darstellt. Mineralogisch handelt es sich um einen sogenannten Gabbro, ein Gestein, das sich primär aus den Mineralen Plagioklas (in der Form von Anorthit) und Pyroxen (Pigeonit und Augit) zusammensetzt. Es bleibt abzuwarten, ob in Zukunft noch weitere Proben dieses Materials und andere, bislang nicht vertretene lunare Gesteine in Gestalt von Meteoriten entdeckt werden!


SNC-Gruppe ("Marsmeteorite")

Eine weitere Gruppe bilden die seltenen SNC-Meteorite, die nach den Anfangsbuchstaben dreier historischer Fälle benannt wurde: Shergotty, Nakhla und Chassigny. Diese Meteorite werden zusammen mit einigen weiteren Fällen und Funden aufgrund mineralogischer und chemischer Ähnlichkeiten in eine Gruppe zusammengefasst, und es ist inzwischen ziemlich sicher, dass alle diese Meteorite von unserem Nachbarplaneten Mars stammen (siehe auch Herkunft). Für diese Annahme spricht nicht nur das vergleichbar junge Alter der meisten SNC-Meteorite, das oft nur wenige Hundert Millionen Jahre beträgt, sondern auch ein Vergleich von in diesen Meteoriten eingeschlossenen Gasen mit den Ergebnissen der Viking-Sonden, die im Jahre 1976 unter anderem die genaue Zusammensetzung der Marsatmosphäre untersuchten. Es sind inzwischen zweiundzwanzig dieser "Marsmeteorite" bekannt, die aber wahrscheinlich aus nur siebzehn Fällen stammen. Grundsätzlich unterteilen sich die SNC-Meteorite in vier mineralogische Klassen:


Shergottite

Die Shergottite, benannt nach dem Fall von Shergotty, Indien, sind unter den Marsmeteoriten besonders häufig und stellen siebzehn der zweiundzwanzig bekannten SNC-Meteorite. Mineralogisch splitten sie sich in zwei verschiedene Typen, in die basaltischen und in die lherzolithischen Shergottite. Die basaltischen Shergottite bestehen vor allem aus Plagioklas und Pyroxen und ähneln irdischen Basalten vulkanischen Ursprungs. Die lherzolithischen Shergottite bestehen aus Olivin und Orthopyroxen und enthalten nur geringere Mengen von Plagioklas. Sie sind eng mit den basaltischen Shergottiten verwandt, repräsentieren allerdings keine Ergussgesteine, sondern eher plutonische Tiefengesteine des Mars, die aus den gleichen Magmaschichten hervorgingen wie ihre basaltischen Verwandten. Es gibt allerdings auch Übergänge zwischen dem basaltischen und lherzolithischen Typ, die zum Beispiel von den Marsmeteoriten aus der Dar al Gani Wüste, Libyen, repräsentiert werden.


Nakhlite

Die Nakhlite werden nach dem Fall von Nakhla, Ägypten, benannt, und es sind nur drei dieser feinkörnigen, grünlich braunen Meteorite bekannt. Im mineralogischen Sinne bestehen sie hauptsächlich aus kalziumreichen Pyroxen (Augit) und einem geringen Anteil von Olivin. Interessanterweise entdeckte man kürzlich in den Nakhliten seltene Minerale, die nur in der Anwesenheit von flüssigem Wasser entstehen konnten. Analysen haben ergeben, dass diese Minerale noch auf dem Mars entstanden sein müssen, was dafür spricht, dass unser roter Nachbar zumindest noch zur Zeit der Entstehung der Nakhlite, also vor etwa 1,5 Milliarden Jahren flüssiges Wasser und vielleicht sogar Ozeane besessen hat!


Chassignite

Eng verwandt mit den Nakhliten sind die Chassignite, die nach dem einzigen Vertreter dieser Klasse, dem Meteorit Chassigny, Frankreich, benannt wurden. Mineralogisch betrachtet handelt es sich bei Chassigny um ein nahezu rein aus Olivin bestehendes Tiefengestein, um einen sogenannten Dunit. Auch in Chassigny wurden Spuren von Mineralen gefunden, die nur in Anwesenheit von Wasser entstehen konnten, so zum Beispiel der auch auf der Erde bekannte Amphibol.


Orthopyroxenite

Auch diese Gruppe wird nur durch einen einzigen Vertreter repräsentiert, durch den antarktischen Meteorit ALH84001. Im Unterschied zu den anderen Marsmeteoriten besteht er nahezu ausschliesslich aus Orthopyroxen und besitzt ein wesentlich höheres Alter. Besonders bekannt wurde dieser heiss diskutierte Meteorit durch zahlreiche Untersuchungen diverser Einschlüsse, die Hinweise auf ein - zumindest früheres - primitives Leben auf unserem Nachbarplaneten Mars geben (siehe Sensationen).