Kultur und Religion
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Seit prähistorischen Zeiten gelten Meteorite bei zahllosen Kulturen und Völkern als Inbegriff des Heiligen. Ihr himmlischer Ursprung sowie ihr unvorhersehbares Auftauchen unter Lichterscheinungen, Schall und Rauch waren stets eindrucksvoll genug, um den "Schauer des Heiligen" durch jeden Zeugen eines solchen Ereignisses zu jagen und ihn in Furcht und Ehrfurcht erstarren zu lassen. Selbstverständlich wurden aus den Überbleibseln eines solchen Spektakels, den eigentlichen Meteoriten, heilige Steine, Kraft- und Kultobjekte, denen meist eine reliquiengleiche Verehrung zuteil wurde.
So betrachteten die nordamerikanischen Stämme der Kiowa den fast 15 Tonnen schweren Willamette Meteoriten als ihr Zentralheiligtum. Vor jeder Jagd tauchten die Männer ihre Speer- und Pfeilspitzen in das Wasser, das sich in den grossen Mulden des Eisenmeteorites sammelte, um sie treffsicher und schnell wie ein Meteorit zu machen. Andere nordamerikanische Stämme verehrten die Bruchstücke und Fragmente des Canyon Diabolo Meteoriten, ebenfalls ein gewaltiger Eisenmeteorit (Gesamtgewicht über 30 Tonnen), der vor etwa 50.000 Jahren den weltberühmten Meteor-Krater in Arizona geschlagen hat. Bereits in präkolumbianischer Zeit existierte ein reger Handel mit diesen heiligen Eisen, wie neue archäologische Funde in Nordamerika und Mexiko belegen.
Vergleichbare Kulte finden sich bei vielen Naturvölkern und sind sowohl für die Inuit aus Grönland wie auch für einige Völker Tibets, der Mongolei und Australiens belegt. Aber auch die Hochkulturen der alten und neuen Welt verehrten Meteorite als himmlische Boten und nutzten Messer und Werkzeuge aus meteoritischem Eisen zu besonderen kultischen Zwecken. Solche Messer und Dolche fand man unter anderem in ägyptischen Königsgräbern, in den heiligen Stätten Mesopotamiens oder in den Gräbern der südamerikanischen Inka. Auf Bali und in manchen Teilen Indonesiens werden noch heute magische Krise (rituelle Dolche) aus Meteoreisen stolz von einer Generation an die nächste weitergereicht. |
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Angesichts dieser vielfältigen Beispiele wundert es nicht, dass man auch in der griechisch-römischen Geschichte immer wieder auf Meteoriten-Kulte trifft. Dem Religionshistoriker Mircea Eliade zufolge sollen sowohl das Palladion von Troja, die Arthemis von Ephesus wie auch der Kegel des Elagabal in Emesa meteoritschen Ursprungs gewesen sein. Ein weiteres Beispiel ist der Meteorit von Pessinunt in Phrygien, der als "Nadel der Kybele" verehrt und nach dem Punischen Krieg auf einen Rat des Orakels von Delphi hin in einer gewaltigen Prozession nach Rom gebracht wurde, wo man den Meteorit weitere 500 Jahre lang als ein Fruchtbarkeit spendendes Heiligtum anbetete.
Selbst in den monotheistischen Religionen judäo-christlicher Tradition lassen sich Spuren der alten Meteoritenkulte finden. In hebräischer Sprache nannte man die vom Himmel gefallenen Steine Bethel (hebr. "Haus Gottes"). Im alten Testament wird in unter anderem berichtet, wie Jakob, der Stammvater der Israeliten, seine Vision von der Himmelsleiter erhielt, als er in der Wüste mit dem Kopf auf einen solchen Bethel-Stein gebettet eingeschlafen war. Der Geschichte zufolge hat er daraufhin einen Tempel um den Stein errichten lassen, von dem sich heute leider keine Spuren mehr finden.
Das bekannteste - und wohl umstrittenste - Beispiel einer Meteoritenverehrung in heutiger Zeit liefert die islamische Tradition. Trotz des Verzichts auf jede Verbildlichung Gottes und des Verbots der Verehrung und Anbetung von irgendwelchen Gegenständen findet sich im zentralen Heiligtum aller Muslime, der Kaaba in Mekka, ein schwarzer Stein, den jeder Mekka-Pilger nach seinem Rundgang um das Heiligtum küsst. Dieser Stein, der von den Muslimen "Hadschar al Aswad" (Schwarzer Stein) oder nach dem Vorbild des Propheten "Yamin Allah" (die rechte Hand Gottes) genannt wird, ist angeblich ein Bethel-Stein aus der Zeit Abrahams und wird von zahlreichen modernen Wissenschaftlern für einen Meteoriten gehalten. Viele muslimische Gelehrte bestreiten dies jedoch, um jeden Verdacht einer möglichen Götzenanbetung im Islam auszuräumen. Leider hat es dieser religiöse Vorbehalt bis heute nicht erlaubt, eindeutig zu klären, ob der Hadschar nun kosmischen Ursprungs ist oder nicht.
Das bekannteste - und wohl umstrittenste - Beispiel einer Meteoritenverehrung in heutiger Zeit liefert die islamische Tradition. Trotz des Verzichts auf jede Verbildlichung Gottes und des Verbots der Verehrung und Anbetung von irgendwelchen Gegenständen findet sich im zentralen Heiligtum aller Muslime, der Kaaba in Mekka, ein schwarzer Stein, den jeder Mekka-Pilger nach seinem Rundgang um das Heiligtum küsst. Dieser Stein, der von den Muslimen "Hadschar al Aswad" (Schwarzer Stein) oder nach dem Vorbild des Propheten "Yamin Allah" (die rechte Hand Gottes) genannt wird, ist angeblich ein Bethel-Stein aus der Zeit Abrahams und wird von zahlreichen modernen Wissenschaftlern für einen Meteoriten gehalten. Viele muslimische Gelehrte bestreiten dies jedoch, um jeden Verdacht einer möglichen Götzenanbetung im Islam auszuräumen. Leider hat es dieser religiöse Vorbehalt bis heute nicht erlaubt, eindeutig zu klären, ob der Hadschar nun kosmischen Ursprungs ist oder nicht.
Nicht nur das Beispiel des Hadschar al Aswad legt Zeugnis vom leidigen Konflikt zwischen moderner Wissenschaft und traditioneller Religion ab. Der Vatikan, der auf der einen Seite Schwierigkeiten hat, von einem geozentrischen Weltbild abzurücken und einen Giordano Bruno bis heute nicht rehabilitiert hat, besitzt auf der anderen Seite eine der grössten und bestgehüteten Meteoritensammlungen der Welt. Das Amerikanische Museum für Naturgeschichte weigert sich standhaft gegen die Forderung der Kiowa, den Willamette Meteoriten zurückzugeben - immerhin ist er eines der zentralen Ausstellungstücke in diesem modernen Tempel der Wissenschaft. Und indische Meteoritenkundler stossen immer wieder auf Probleme, wenn ein neuer Meteoritenfall in ihrem Land beobachtet wird: meist haben ihre hinduistischen Landleute bereits einen Schrein um den heiligen Stein errichtet, bevor die Wissenschaftler überhaupt an Ort und Stelle sind. Vielleicht täte ein wenig Verständnis auf beiden Seiten ganz gut... |